Wenn die Angst zu Besuch kommt – Ein Weg durch Verlust, Liebe und Hoffnung

 

Es gibt Momente im Leben, die uns wie ein Sturm erfassen. Wir spüren, wie der Boden unter unseren Füßen schwankt, die Luft schwerer wird und unser Herz schneller schlägt. Diese Momente sind geprägt von einem der mächtigsten Gefühle, die wir kennen: Angst.

 

Nicht jede Angst ist gleich. Manche sind wie ein plötzlicher Windstoß – kurz, heftig, aber vorübergehend. Andere hingegen sind wie ein Schatten, der uns länger begleitet, der sich in unsere Gedanken schleicht und uns an jeder Ecke erwartet. Und dann gibt es jene Ängste, die tief in unserem Innersten verwurzelt sind – die Angst, jemanden zu verlieren, den wir lieben. Die Angst vor dem unausweichlichen Abschied. Die Angst davor, wie das Leben danach weitergeht.

 

Die verschiedenen Gesichter der Angst

Ängste treten in vielen Formen auf. Sie bewegen sich auf einer Skala, die von kleinen Alltagsängsten bis zu existenziellen, alles überschattenden Befürchtungen reicht:

  • Die leisen Sorgen: Das flaue Gefühl im Bauch vor einem wichtigen Gespräch oder die Nervosität vor einer neuen Herausforderung. Diese Ängste gehören zum Leben dazu und helfen uns manchmal sogar, besser vorbereitet zu sein.
  • Die belastenden Ängste: Diese Ängste sind hartnäckiger. Sie kommen in Wellen, lassen uns nachts wachliegen und zwingen uns, immer wieder dieselben Szenarien im Kopf durchzuspielen.
  • Die tiefgreifenden Ängste: Sie betreffen unser Sein, unsere Existenz, unsere Lieben. Die Angst, einen Menschen zu verlieren, der uns unendlich wichtig ist. Die Angst vor dem Tod eines geliebten Menschen – vor dem Leid, dem Abschied, der Leere danach. Diese Ängste sind wie ein schwerer Nebel, der sich nicht einfach vertreiben lässt.

Angst muss nicht der Fessel sein, die uns lähmt; sie kann auch der Funke sein, der das Feuer entfacht. Sie zeigt uns, was uns wirklich wichtig ist, lässt uns klarer sehen, wo wir stehen und wohin wir wollen. Sie fordert uns heraus, über uns selbst hinauszuwachsen.

Anstatt uns von der Angst einsperren zu lassen, können wir sie als Antrieb nutzen – als einen inneren Motor, der uns vorwärts treibt. Angst schärft unsere Sinne, lässt uns achtsam werden und mahnt uns, nicht länger zu zögern.

 

Sie sagt: „Hier gibt es etwas zu verlieren, also handle, bevor es zu spät ist.“

 

Wenn wir der Angst die Hand reichen, statt vor ihr davonzulaufen, kann sie uns neue Wege zeigen. Sie wird vom Blockierer zum Beschleuniger, vom Hindernis zum Lehrer, vom Schatten zum Wegweiser. In diesem Moment hören wir auf, vor dem Leben zu fliehen – und beginnen, es bewusst zu gestalten.

 

Die Angst vor dem Abschied – Wenn die Zeit kostbar wird

 

Meine Mum ist krank. Schwer krank. Und während ich zusehe, wie ihre Kräfte schwinden, kämpfe ich mit einer Vielzahl von Ängsten. Angst davor, dass sie leidet. Angst davor, dass ihre Zeit mit uns zu kurz ist. Angst, ihr nicht oft genug gesagt zu haben, was sie mir bedeutet und was für ein wundervoller Mensch sie ist, Angst davor, dass der Moment des Abschieds unausweichlich wird. Diese Ängste fühlen sich an wie eine Welle, die droht, mich zu überrollen.

 

Gleichzeitig zeigt mir diese Angst auch, wie tief meine Liebe für sie ist. Sie erinnert mich daran, wie kostbar jeder Moment ist. Wie wertvoll ein gemeinsames Lächeln, ein Gespräch, ein Meerspaziergang, ein stiller Augenblick des Beisammenseins sein kann. Die Endlichkeit macht das Leben intensiver – ein bittersüßes Paradox, das kaum zu ertragen scheint und doch voller Wahrheit steckt.

 

Wie gehe ich mit dieser Angst um?

Den Ängsten zu begegnen, bedeutet nicht, sie zu besiegen oder zu ignorieren. Es bedeutet, einen Weg zu finden, mit ihnen zu leben und trotz allem weiterzugehen. Hier sind einige Ansätze, die mir helfen:

  1. Die Angst benennen: Es hilft, die Angst in Worte zu fassen. „Ich habe Angst, dass meine Mum leidet. Ich habe Angst, dass ich nicht weiß, wie es ohne sie weitergeht.“ Indem ich die Angst ausspreche, nehme ich ihr ein Stück ihrer Macht.
  2. Den Moment bewusst leben: Wenn die Zeit begrenzt ist, wird jeder Augenblick zu einem Geschenk. Ein gemeinsames Gespräch, ein Lächeln oder das Halten ihrer Hand – all das schafft Erinnerungen, die bleiben werden, zu all den Momenten, die wir zusammen erlebt haben.
  3. Akzeptieren, was ich nicht ändern kann: Der Tod ist ein Teil des Lebens. Ihn zu akzeptieren, bedeutet nicht, die Angst zu verdrängen, sondern zu verstehen, dass manche Dinge außerhalb unserer Kontrolle liegen.
  4. Unterstützung suchen: Niemand sollte diese Ängste allein tragen müssen. Gespräche mit Freunden, Familie oder professionellen Begleitern können helfen, den Schmerz zu teilen und nicht in der Einsamkeit zu versinken.
  5. Liebe bewahren: Auch nach dem Abschied bleibt die Liebe bestehen. Erinnerungen, Rituale und kleine Gesten halten die Verbindung lebendig. Der Mensch verschwindet nicht aus unserem Herzen, nur weil er nicht mehr physisch an unserer Seite ist.

Die Angst als Wegweiser

So schwer es fällt, die Angst vor dem Verlust zuzulassen – sie zeigt uns auch den Weg. Sie erinnert uns daran, dass wir lieben, dass wir verbunden sind, dass unsere Gefühle echt und wertvoll sind. In der Dunkelheit dieser Ängste gibt es auch Licht: die Möglichkeit, das Leben jetzt intensiver zu fühlen, das Unausgesprochene auszusprechen, und den Wert der gemeinsamen Zeit zu erkennen.

Vielleicht ist es das, was die Angst uns lehren will: dass wir mutig genug sind, sie zu fühlen, und stark genug sind, mit ihr zu leben oder sie als Antrieb, als Funke zu sehen, der dein Feuer entfacht.

 

Der Abschied und das Danach

Eines Tages wird der Abschied kommen. Und ich habe Angst davor. Angst vor der Leere, vor dem Schmerz, vor dem „Danach“. Doch ich versuche, daran zu glauben, dass auch dieser Schmerz Teil des Lebens ist. Dass er uns formt und uns daran erinnert, wie wertvoll unsere Bindungen sind.

 

Die Angst ist da – ja und nicht nur sie, auch Traurigkeit, Wut und so vieles mehr, was ich kaum in Worte fassen kann, denn ein Teil der Angst hat sich bewahrheitet - die Angst, nie wieder mit meiner Mum zu sprechen, sie lachen zu hören, sie umarmen zu können, denn sie ist ins Licht gegangen. Und so sind auch das Licht und die Liebe da. Sie bleibt. Sie begleitet mich durch die Dunkelheit und erinnert mich daran, dass ich nicht allein bin und ich hoffe dich auch. In der Angst steckt immer auch ein Funke Hoffnung. Ein Licht, das weiter brennt, auch wenn wir es kaum sehen können. Das Licht ist mitunter der Teil, dass sie nicht mehr leiden muss. Dafür bin ich dankbar.

 

Möge dieser Funke Hoffnung uns tragen, wenn die Angst zu Besuch kommt. Möge er uns daran erinnern, dass selbst im schwersten Abschied die Liebe niemals vergeht.

 

Mum, ich liebe dich und trage dich immer in meinem Herzen!!!

 

Die Angst mag unser Herz schneller schlagen lassen, doch sie kann uns auch den Mut schenken, den nächsten Schritt zu wagen.

Mögest du Licht sehen in der Dunkelheit und Mut finden deiner Angst zu begegnen.

 

Lichtvolle Herzensgrüße Ramona